Mietendeckel-Entscheidung

Berlin hat den Mietendeckel auf den Weg gebracht und damit den Mietenstopp für fünf Jahre, rückwirkend ab dem 18. Juni. Der Senat hat ein entsprechendes Eckpunktepapier beschlossen. Bausenatorin Katrin Lompscher sprach von rechtlichem Neuland. Heftiger Gegenwind kommt aus der Wohnungswirtschaft.

Das Eckpunktepapier, das im Detail noch vorgestellt werden und geringfügig "abgeschwächt" worden sein soll, sieht grundsätzlich vor, dass bei Neuvermietung höchstens die vereinbarte Miete aus dem vorherigen Mietverhältnis verlangt werden darf. Außerdem sollen zu hohe Mieten auf eine definierte Mietobergrenze gesenkt werden können, wenn ein Mieter das "in Form eines Absenkungsbegehrens" verlangt. Mieterhöhungen nach Modernisierungen sollen erschwert werden. Der Neubau ist von den Regelungen ausgeschlossen. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, dem drohen Geldbußen von bis zu 500.000 Euro.

Der nächste Schritt ist ein Gesetzentwurf und hier gibt es heftigen Gegenwind

Wie Bausenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) nach der Senatssitzung sagte, sollen die Eckpunkte den Rahmen für einen Gesetzentwurf bilden, der Mitte Oktober beschlossen werden soll. Das Gesetz soll, so sei der Plan, spätestens im Januar 2020 in Kraft treten, wie die Senatorin betonte. Im Vorfeld war massive Kritik seitens der Wohnungswirtschaft und anderen Parteien an einem Mietendeckel geäußert worden. Es ist auch damit zu rechnen, dass geklagt wird.

Juristen und Verbände sehen die Pläne der rot-rot-grünen Senatsverwaltung skeptisch. Es fehle hier eindeutig an der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer, denn der Bund habe von seiner diesbezüglichen Gesetzgebungskompetenz erschöpfend Gebrauch gemacht, kommentiert die Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft in einer zwölfseitigen Abhandlung  "Der geplante Mietendeckel in Berlin ist nichtig!" den Berliner Vorstoß.

"Ergeht eine Norm aber ohne die erforderliche Gesetzgebungszuständigkeit, ist sie verfassungswidrig und damit unheilbar nichtig. In der Folge kann sich jeder betroffene Vermieter im Geltungsbereich des geplanten Mietendeckels zur Wehr setzen." Auszug Gutachten Heussen Rechsanwaltsgesellschaft mbH

Nach den ursprünglichen Vorschlägen aus der Stadtentwicklungsverwaltung soll der Mietenstopp für alle bestehenden Mietverhältnisse in Wohnungen gelten, die in Mehrfamilienhäusern liegen. Die Linken-Fraktion im Bundestag hatte im März in einem Antrag einen sofortigen Mietendeckel gefordert.

BFW: Mietendeckel in Berlin ist ein Verstoß gegen die Verfassung

Dass die Einführung eines Mietendeckels durch das Land Berlin verfassungswidrig wäre, zu diesem Ergebnis kommt auch ein Gutachten, das die Rechtsanwaltskanzlei Greenberg Traurig im Auftrag des BFW Landesverbandes Berlin/Brandenburg erarbeitet hat. Auch demzufolge fehlt dem Berliner Gesetzgeber bereits die Gesetzgebungskompetenz.

"Der öffentlich-rechtliche Mietendeckel – wie auch immer er künftig bezeichnet wird – ist verfassungswidrig und juristisch massiv angreifbar. Unser Rechtsgutachten kommt zu der eindeutigen und klaren Aussage: Berlin hat in dieser Frage keine eigene Gesetzgebungskompetenz." Susanne Klabe, Geschäftsführerin BFW Landesverband Berlin/Brandenburg

Ein Mietendeckel würde unter mehreren Gesichtspunkten gegen das Grundgesetz verstoßen, zumal er massiv in das Eigentumsrecht eingreife, so Klabe weiter. Die Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin sieht auch Uwe Bottermann, Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Bottermann Khorrami, kritisch.

"Das Land Berlin kann rechtssicher wohl nur in den Bereichen des Wohnungswesens die Mieten begrenzen, die den Bundesländern zugewiesen sind. Das sind zum Beispiel die Mieten im geförderten Wohnraum." Uwe Bottermann, Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Bottermann Khorrami

Für die Festlegung einer flächendeckenden Mietobergrenze für ganz Berlin sei diese Gesetzgebungskompetenz fraglich. Zudem seien die inhaltlichen Vorgaben der Verfassung zu beachten, insbesondere die Eigentumsgarantie des Art. 14 des Grundgesetzes.

BBU: Mietendeckel ist Investitionsdeckel

Der BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen bezeichnete das Instrument als "völlig aus der Zeit gefallen": Notwendige Investitionen könnten so nicht mehr finanziert werden.

"Ein Mietendeckel schafft nicht eine einzige Wohnung zusätzlich, ganz im Gegenteil. In dieser Pauschalität wäre er ein Investitionsdeckel und damit ein 'Bärendienst' an den Mieterinnen und Mietern." Maren Kern, BBU-Vorstand

Ein Mietendeckel würde bedeuten: Kein altersgerechter Umbau, keine Barrierefreiheit, keine CO2-Einsparungen mehr und deutlich weniger Neubau. Gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen würden durch eine solche Maßnahme besonders hart getroffen, so Kern weiter. Sie seien traditionell mietendämpfend unterwegs und reinvestierten ihre Gewinne zum Nutzen der Mieter in die Bestände.

"Ein pauschales Einfrieren der Mieten kommt deshalb einer Bestrafung ausgerechnet der Guten am Wohnungsmarkt gleich. Sie hätten mit ihrem Augenmaß und ihrer sozialen Verantwortung das Nachsehen." Maren Kern, BBU-Vorstand

Die Wohnungswirtschaft solle daher vom Mietendeckel befreit werden, um angesichts steigender Kosten beispielsweise für Handwerksleistungen, Gartenpflege, Hausmeisterdienste oder Bauleistungen schrittweise Mietanpassungen vornehmen zu können, meint Kern. Geeignetere Instrumente für eine Anpassung des Mietrechts wären etwa das Erschweren der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, ein Kündigungsschutz für Senioren, mehr Schutz vor Luxusmodernisierungen oder höhere Hürden für Eigenbedarfskündigungen.

Weitere Kritik am Mietendeckel: ZIA warnt vor Irrglauben

Der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, hatte die Forderung nach einem Mietendeckel seit Monaten in Frage gestellt.

"Dass sich die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt durch einen Mietendeckel entspannt, ist ein Irrglaube und zudem verfassungsrechtlich stark zweifelhaft. Die einzig nachhaltige Lösung für bezahlbares Wohnen in der Hauptstadt ist der Neubau von Wohnungen – alles andere ist Augenwischerei." Niclas Karoff, Sprecher der ZIA-Region Ost.

Der Verband hatte ebenfalls ein  Rechtsgutachten in Auftrag gegeben: Professor Thomas Dünchheim von der Kanzlei Hogan Lovells hat darin festgestellt, dass durch eine Mietpreisbegrenzung unter anderem Verstöße gegen die Berufsfreiheit gewerblicher Vermieter als auch gegen die grundgesetzlich gewährleistete Vertragsfreiheit beider Mietvertragsparteien begangen würden. Bei einer Mietpreisbindung könne es zu dauerhaften Verlusten für die Vermieter kommen, führte Dünchheim aus, und die Regelung sei "bereits aus diesem Grund mit der Eigentumsgarantie, welche auch die Renditeerzielung bei der Vermietung von Wohnraum schützt, unvereinbar".

Berlins SPD-Fraktionschef Saleh sieht rechtliche Klarheit bei Mietendeckel

Der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat sich hingegen dafür ausgesprochen, die Mieten aller Wohnungen in der Hauptstadt zumindest zeitweise einzufrieren und dazu einen sogenannten Mietendeckel auf Landesebene zu beschließen. Ein im Auftrag seiner Fraktion erarbeitetes  Expertengutachten sei zu dem Schluss gekommen, dass die Gesetzgebungskompetenz hier bei den Ländern liege und Berlin also entsprechend aktiv werden könne, erklärte Saleh. Es bestehe rechtliche Klarheit, der Mietendeckel könne kommen.

Rechtsetzung beim Wohnungswesen seit Föderalismusreform Ländersache

Die Idee eines Mietendeckels hatte vor einigen Monaten eine Gruppe von SPD-Politikern mit der Berliner Bundestagsabgeordneten Eva Högl ins Spiel gebracht. Zwar sei der Bund für das Mietenrecht zuständig, argumentierten sie. Die Rechtsetzung beim Wohnungswesen sei indes seit der Föderalismusreform 2006 Ländersache.

Der Berliner FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja kritisierte das Vorhaben. Statt eines Mietendeckels brauche es unter anderem eine Neubauoffensive, um die Mieten zu senken, sagte er. Und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) will das Wohnungsproblem in der Stadt mit dem Mix aus "bauen, kaufen, deckeln" bekämpfen. Laut CDU-Fraktionschef Burkard Dregger "verzetteln sich Senat und Koalition" und setzen auf falsche Prioritäten unter anderem im Wohnungsbau.

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